Favoritensiege, stark aufspielende Aussenseiter und sogar ein Märchen – die Elite-SM 2024war ein grosser Erfolg. Wir blicken auf ein spektakuläres Badminton-Wochenende zurück
Plötzlich ging es im letzten Spiel der Meisterschaften enorm schnell. Nicolas Franconville/Yann Orteu liessen den Titelverteidigern Oliver Schaller/Andreas Zbinden keine Chance, was doch etwas erstaunte, weil das Freiburger Duo sich völlig souverän in den Showdown gespielt hatte. Doch der Power und Schnelligkeit von Franconville/Orteu hatten sie nichts mehr entgegenzusetzen. 21-6, 21-10 lautete am Schluss das unerwartet klare Verdikt.
Orteu, der wegen Verletzungen praktisch zwei Jahre ausgefallen war, vollendete damit ein Märchen. Er hätte sich wohl kaum ausmalen können, dass er so kurz nach seiner Rückkehr schon wieder ganz oben auf dem Podest stehen würde, noch dazu bei einem so wichtigen Turnier. «Ich hatte auch Zweifel während der schwierigen Zeit, ob es richtig ist, weiterhin auf den Badmintonsport zu setzen», so der bewegte Orteu. Spätestens seit Sonntagabend hat er die Antwort.
Auch für Franconville war es ein Titel, der mehr wert ist als nur eine Goldmedaille. Im Dezember 2022 hatte er gleichenorts seine Juniorenkarriere mit dem Gewinn zweier U19-Titel beendet, nun siegte er erstmals bei den Grossen. «Ich bin einfach sehr glücklich», so der Romand, der bei Trogen-Speicher in der NLA spielt.
Favorit Scheiwiller hält Publikumsliebling Pierrehumbert in Schach
Was eineinhalb Sätze lang wie eine einseitige Angelegenheit aussah, wurde plötzlich noch hoch attraktiv: Julien Scheiwiller hatte Maxime Pierrehumbert absolut sicher im Griff und der Lausanner wirkte im siebten Spiel des Wochenendes langsam müde. Ein paar gelungene Aktionen später und mit dem grossen Support des Publikums mobilisierte der Aussenseiter aber noch einmal alle Reserven und erzwang so den Entscheidungsatz. «Er spielte in dieser Phase enorm aggressiv», anerkannte Scheiwiller.
Der Interclub-Spieler des BC Adliswil blieb aber in der Fussballstadion-Atmosphäre ruhig und dank seiner Fitness jederzeit souverän. So konnte er schliesslich doch noch jubeln – und freute sich dementsprechend: «Vom Sieg an den Elite-Schweizermeisterschaften träumt man schon als Kind und jetzt habe ich es geschafft.»
Im Halbfinal hatte er sich an seinem Nationalmannschaftskollen Nicolas A. Müller für die Niederlage im Vorjahres-Halbfinal revanchiert, Maxime seinerseits das Familien-Duell gegen seinen am Vortag so überraschenden Bruder Loris gewonnen.
Milena Schnider wird der Favoritenrolle souverän gerecht
Aufgrund der jüngsten Resultate von Milena Schnider und der Abwesenheit von Jenny Stadelmann war die Ausgangslage klar: Alles andere als ein Sieg der Zürcherin in Diensten des BC Uzwil wäre überraschend gewesen. Und die 22-Jährige rechtfertigte die Vorschusslorbeeren vollumfänglich: Einzig im Halbfinal gegen Katharina Fink gab sie zweimal 14 Punkte in einem Satz ab, die Hälfte ihrer acht Durchgänge endeten mit einstelligem Skore zu ihren Gunsten.
Im Final traf sie auf Leila Zarrouk, die bis zum Showdown ebenfalls ohne Satzverlust geblieben war. Die Lausannerin, die für Trogen-Speicher spielt, bestätigte ihre grossen Fortschritte und besiegte im Halbfinal auch die äusserst laufstarke Julie Franconville (Yverdon). Im Endspiel fand sie nach einem frühen 0-5 besser ins Spiel, das variantenreiche und intelligente Spiel Schniders stellte sie aber immer wieder vor Probleme. Auch bei fast hoffnungslosem Rückstand fightete sie aber vorbildlich weiter – sie ist wahrlich ein grosses Versprechen für die Zukunft.
Milena Schniders Freude nach dem Matchball war gross. Verständlich, war sie doch bereits 2022 und 2023 im Final gestanden, dort aber Ronja Stern, respektive Jenny Stadelmann besiegt worden. «Ich wusste, dass ich favorisiert bin, das ist aber nicht immer einfach», sagte sie, «umso glücklicher bin ich, dass es nun geklappt hat.»
Sie konnte sich über den zweiten Turniersieg innert Wochenfrist freuen, am vergangenen Samstag hatte sie in Reykiavik ihr zweites Future-Series-Turnier innert vier Monaten gewonnen. Gewöhnt man sich ans Siegen, Milena Schnider? Sie lacht: «So viel habe ich ja noch nicht gewonnen, aber nein, es ist jedes Mal speziell.»
Die Geschwister Schaller eine Klasse für sich im Mixed
Sie hatten zwar in ihrer langen und erfolgreichen Karriere noch fast nie zusammen gespielt, das hinderte Oliver und Nicole Schaller aber nicht, sich souverän durch das Mixed-Tableau zu spielen. Die beiden Geschwister vom BC Tafers, die altersmässig durch 15 Monate getrennt sind, hatten ein ziemlich schwieriges Startspiel gegen Patrick Zbinden/Nadia Fankhauser (BC Olympica-Brig), siegten da aber in zwei ausgeglichenen Sätzen. Von da an waren ihre Siege stets ungefährdet, ebenfalls im Final gegen Yann Orteu/Vera Appenzeller (Badminton Mutschellen/BC Zürich). Mit Tempowechseln, Touch und Übersicht stellten sie alle Gegner vor unlösbare Probleme.
Das Final bot einiges an Spektakel. Unter anderem zeigte Oliver Schaller in einer Aktion mit einem Hechtsprung Qualitäten eines potenziellen Fussball-Nationalmannschaftstorhüters, zudem gewann er den virtuellen Fairnesspreis. Als Yann Orteus Schuhe kaputt waren, lieh er seinem Widersacher ein Paar. «Da war auch Glück dabei», sagte Schaller später, «ich habe normalerweise nie ein Ersatzpaar dabei.»
Die beiden, die zuletzt lange verletzt gewesen waren, hatten sich aus der Qualifikation in die Medaillenrunde gespielt und dort einen Satzrückstand gegen Thibault Bernetti/Cloé Brand wettgemacht. Die Schallers ihrerseits hatten den 11-fachen Mixedmeister Anthony Dumartheray und Julie Franconville besiegt.
Premierentitel für Cloé Brand/Julie Franconville
2022 waren sie bei ihrer ersten Elite-SM-Teilnahme in den Final vorgestossen, nun erreichten ihn Cloé Brand/Julie Franconville (Yverdon) erneut. Und diesmal konnten sie auch am Schluss jubeln: Sie gewannen das Endspiel mit 21-11, 21-17 gegen Lucie Amiguet/Vera Appenzeller (Tafers/Zürich). «Wir verstehen uns sehr gut», gab Franconville eines ihrer Erfolgsgeheimnisse preis. Einen Satz verlor das Siegerduo einzig im Halbfinal gegen Jorina Jann/Leila Zarrouk (Uzwil/Trogen-Speicher).
Als Erfolg verbuchen können auch die Finalistinnen das Turnier. Für Amiguet/Appenzeller war es der erste gemeinsame Wettkampfeinsatz seit März 2023, als sich die Ostschweizerin am Swiss Open verletzt hatte. Die U19-EM-Bronzenmedaillengewinnerinnen von Belgrad 2022 hatten in den beiden Runden zuvor sehr enge Partien für sich entschieden.
Kurz vor 19 Uhr war das Turnier vorbei und die Aufräumarbeiten konnten beginnen. OK-Präsident Maurice Meyer und seine Crew vom BC Genève haben für einen reibungslosen Ablauf gesorgt und die Vorfreude ist bereits da auf die Reprise 2025. In diesem Sinne: Au revoir à Genève.
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