Nur bei der Premiere mit dem Weltstar  war sie etwas schüchtern

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Nur bei der Premiere mit dem Weltstar  war sie etwas schüchtern

 


Claudia Cunningham wurde vor mehr als zehn Jahren eher zufällig Badminton-Linienrichterin. Nun hat sie sogar weltweit einen der jeweils besten Plätze in der Halle.

Sie kann sich noch genau an jenen Moment erinnern, als bei ihr die Faszination für den Badmintonsport einsetzte. Es war der Moment, als Claudia Cunningham in Adliswil erstmals bei Yohanes Hogianto Wirz trainierte, der längst unter dem Namen «Hogi» Legendenstatus erlangt hat. Obwohl der Indonesier längst nicht mehr so intensiv spielte wie früher, bestach er durch Eleganz, Technik und spielerische Leichtigkeit. Und so fand Cunningham Gefallen an der Sportart. Und da war noch ein Rat von «Hogi», der ihre Zukunft substanziell beeinflussen sollte: «Er sagte, wenn ich die Spiele hautnah erleben wolle, dann tue ich das am Besten nicht in Reihe 27 als Zuschauerin sondern ganz nahe am Platz - auf dem Linienrichterstuhl.»


Sie bezeichnet sich als «extreme Spätzünderin». Aus Luzern in den Kanton Zürich gekommen, war sie auf der Suche nach Anschluss am neuen Ort, wollte vielleicht einem Sportverein beitreten. Die Badminton-Halle war ideal gelegen, quasi über die Strasse und das war für die alleinerziehende Mutter von vier Kindern ein grosser Bonus. Zudem betrat sie nicht vollkommenes Neuland: «Federball hatte ich auch schon gespielt», sagt sie und schmunzelt.

Es brauchte keine weitere Überzeugungsarbeit, schnell machte sie sich an die Umsetzung. Das sei getreu ihrem Lebensmotto geschehen, sagt sie und lacht: «Ich war schon immer ziemlich spontan unterwegs.» Kurz darauf war sie schon an den Schweizermeisterschaften im Einsatz. Und gewann die Erkenntnis: «Das ist nichts, das ich nicht auch machen könnte.» Bald meldete sie sich für die Swiss Open in Basel und war voller Euphorie.

 

Zumindest bis sie dann auf dem Stuhl sass, plötzlich im Scheinwerferlicht und mitten drin in der Weltspitze. Das sei anfänglich schon nicht ganz einfach gewesen, sagt sie: «Ein Kollege aus England hat mich vor kurzem daran erinnert, dass ich damals etwas schüchtern gewesen sei und wohl gehofft habe, der Shuttle komme nicht zu nahe an die Linien, damit ich keine schwierigen Entscheide fällen muss.» Ein gewisses Lampenfieber war mehr als nur verständlich - ihre Feuertaufe erlebte sie beim Chinesen Lin Dan.

Das elektronische System IRS als Backup

Mehr als zehn Jahre sind seither vergangen, Schüchternheit ist natürlich längst kein Thema mehr. Mittlerweile haben die Linienrichter bei heiklen Entscheiden auch Support vom elektronischen System IRS (Instant Review System), quasi als Backup. Und Claudia Cunningham ist immer noch dabei, intensiver denn je. Am vergangenen Wochenende erlebte sie im NLA-Interclub-Spiel zwischen dem BC Trogen-Speicher und dem BC Zürich ihre Premiere als Stuhlschiedsrichterin, ihr Götti war dabei die Ostschweizer Legende Ivo Kassel, seines Zeichens auch schon Schiedsrichter im Olympia-Final.

Es war ein weiterer Höhepunkt in einem coolen Jahr: Ende Juli war sie in Paris an den Olympischen Spielen und kam dabei ihrem Traum schon sehr nahe: «Als Linienrichterin hat es noch nicht gereicht, aber ich war als Volunteer im Einsatz und zwar als Match Controller. Es war ein wunderbares Erlebnis und die Stimmung schlichtweg grossartig.» Zweimal war sie auch schon am All England, dem Wimbledon des Badminton, zweimal an der EM und auch an der WM in Basel.

Bei solchen Turnieren, wo die Allerbesten des Planeten vereinigt sind, sei das Tempo natürlich extrem hoch, bei kleineren Events gäbe es aber andere Herausforderungen: «Die Tage sind oft extrem lang und manchmal sind wir nur zu zweit auf dem Platz. Das führt dann dazu, dass man keine Linie vom genau richtigen Winkel sieht.»

Neu ist sie eine von drei BWF Line Judges aus der Schweiz

2025 steigt Claudia Cunningham weiter auf: Für die nächsten vier Jahre ist sie BWF Line Judge, es locken die ganz grossen Turniere in der ganzen Welt. Sie ist eine von drei Personen aus der Schweiz, neben Urs Meier und Nathalie Esseiva. Auf diesen Status hat sie schon lange hingearbeitet, aufgrund der Corona-Pandemie ging aber alles langsamer als erhofft. Dieses Ziel sei logisch gewesen, sagt sie, unter anderem wegen einem Faktor: «Es ist die einzige Möglichkeit, als Unparteiische nach Asien zu kommen.» Und schliesslich ist das Indonesian Open einer der ganz grossen Träume der Frau, die neben ihrem Hauptjob und dem Badminton auch noch Mentalcoach im Sport ist - beim Boxclub Zürich. 

 

 

Die Hoffnung auf den roten Teppich

 

Gerade hat sie vom Weltverband eine Einladung bekommen, einen Doodle auszufüllen. Dort konnte sie ihr Interesse für vier ganz grosse Turniere im nächsten Jahr bekunden - zwei davon sind in China, eines in Indien und dazu kommt die Weltmeisterschaft in Paris. Sie lacht: «Die World Tour Finals mit dem roten Teppich, das wäre schon cool.» Sie hofft, für zwei der vier Turniere berücksichtigt zu werden und zählt dabei auch ein wenig auf den Frauenbonus: «Es gibt deutlich weniger Linienrichterinnen als Linienrichter und deshalb gibt es für uns Frauen mehr Einsätze.»

Wie ihre nächstjährige Agenda definitiv aussehen wird, dürfte Claudia Cunningham wohl erst Ende des Jahres erfahren. Aber spontan zu sein war für sie ja noch nie ein Problem.

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